Montag, 25. August 2008

Schrei nach Stille

Dieses Buch ist vor allem eins: wirklich perfekte, fesselnde Unterhaltung.

Anne Chaplet liebt es, zu erzählen, zu fabulieren und vermag es, Situationen lebendig erstehen zu lassen. Nie tritt das Buch auf der Stelle, es schwenkt von Personenkonstellation und Ort zu den nächsten und liest sich so ganz wunderbar in einem Rutsch.
Irgendwann, irgendwo hat sich die Autorin mal geäußert, ihr sei die Einordnung in Genres etwas fremd. Und so liest sich dieser Krimi auch streckenweise so, dass man den Krimi fast vergisst: Wie eine Art Gesellschaftskomödie zwischen Stadt und Land, es geht den Menschen wie de Leut – und wie gesagt, dies alles sehr leichtfüßig erzählt, bisweilen amüsant.

„1968“, the summer of love, verleiht dem Buch ein heute schon exotisches Kolorit, kaum mehr, in die Tiefe geht das nicht. Aktueller ist das Augenmerk auf verschwundene Kinder, auf potentiell diabolische Stiefväter.

Die Krimihandlung hingegen hat ein zeitlich zu den 60ern passendes Erik-Ode-mäßiges Ende, ein, nein zwei, allzuschöne Mädchen, Unschuld und Tragik. „Mord? … Ich dachte es war ein Unfall?“ - mein Lieblingszitat aus alten Krimitagen. Und damit hat dieses Buch zumindest in diesem Punkt viel gemein mit Jan Seghers’ „Ein allzu schönes Mädchen“. Sind so die Krimis aus Frankfurt, so erfrischend antiqiuert? Da ich Bewohnerin der kleinen, lebendigen Metropole am Main bin, hat das Buch, das mich bisweilen sehr bekannte Straßen lang führte, sicherlich noch einen kleinen Bonus bekommen – hätte es aber bei Ausbleiben sonstiger Qualitäten nicht, dann hätte ich mich eher geärgert.

Kleine lustige Beobachtung: Anne Chaplet ist rothaarig (vermutlich gefärbt) und hat Katzen. In diesem Buch gibt es viele, viele Katzen und wirklich unmäßig viele rothaarige Frauen (gefärbt), auch unter den Statistinnen, ich denke die Zahl rothaariger Frauen in diesem Buch liegt sehr erheblich über ihrem realen Anteil an der Bevölkerung;-))

Sonntag, 24. August 2008

Schweinehund

Murakamis Buch über das Laufen ist die persönliche Geschichte obsessiver Disziplin, einem Paradox also.
Ich las ein Buch über das Sich-Überwinden als Lebenshaltung und komme selbst aus der größtmöglichen Blockade bei dringend zu erledigenden Arbeiten nicht hinaus.
Unlust, Unlust, Unlust - und das ist wohl ein Kreuz, das immer mal wieder den Menschen festnagelt. Eine Situation, die wir alle kennen. Das hätte ich Anna, meiner Mauerseglerin, die flügge werden will, noch zurufen können - vor der Beratungspause. Anna, das ist normal, das kommt immer wieder, es nervt, aber es gehört einfach dazu.
Murakami fragte, so gibt er Auskunft, mal einen Lauf-profi auf Olympianiveau, ob er sich denn auch immer wieder neu überwinden müsste und wurde von diesem ungläubig angestarrt, ob der blöden Frage: Ja natürlich, was sonst!
Mein Schweinehund und ich haben uns heute einen Tag jenseits des Wohlbefindens angehext. Kopfschmerzen und Magenprobleme erstzen mittlerweile das banale schlechte Gewissen.
Wenn man schon zu blöd ist zum Arbeiten, sollte man es sich wenigstens gut gehen lassen. Aber so läuft (!) das nicht.

Samstag, 23. August 2008

Das Einhörnchen

Als ich Kind war, waren Eichhörnchen eine Sensation auf tiefen Wegen im Pfälzer Wand, wo wir taten, was mein Vater gerne tat und Wandern nannte, für uns eine Pflicht. Die Eichhörnchen waren selten und flüchtig und sehr scheu. Kurze aufmerksame Lichtblicke bei diesen ansonsten eher ereignislosen Übungen, die darin bestanden, mit noch sehr kurzen Beinen den langen väterlichen Schritten hinterher zu kommen.
Mittlerweile sind die Eichhörnchen in die Großstadt eingefallen und gar nicht mehr so scheu. Ich als Vulgärbiologin wundere mich - dachte ich doch, Vorsicht und Scheu sei ein genetisches Programm, das sich nur in einer unüberschaubar großen Zahl von Generationenfolgen ändert. Das ist nicht der Fall, jedenfalls nicht, was den Umgang mit Menschen betrifft, vielleicht, weil sie im genetischen Programm diverser Tiere so wenig vorkommen wie Autos. Als im Juli die Amseln brüteten, waren sie auch erstaunlich unbekümmert, wenn wir unter ihrem Nest grillten und lachten. Fast als ob sie sich unserer sicherer seien, schienen sie schier mit den Menschen verbündet zu kommunizieren, wenn die Elster kam, die sie wirklich und zu Recht fürchteten. Und am Ende überlebte auch nur ein Amseljunges und machte seine eifrigen Flugübungen: Die anderen beiden hatte die Elster geholt.
Nun also "mein Eichhörnchen". Es kommt über die Mauer vom Gelände, wo immer die "schwierigen Jugendlichen" sind und manchmal eine luschige Polizeirazzia stattfindet, klettert äußerst anmutig den Baum hoch und runter und streicht dann gewissenhaft durch den kleinen, aber feinen Garten. Jeder, aber wirklich jeder Blumentopf, in dem irgendetwas wächst, gedeiht oder rudimentär vor sich hin kümmert wird untersucht, beschnuppert, hier wird mal genauer gegraben, dort auch. Nach der ersten Runde springt das grazile schöne Tier auf die längst pensionierte Teppichstange, läuft kokett hin und her, eine Art Schwebebalkenübung, sehr ansehnlich, nach der zweiten Runde nimmt es auf dem weißen Palstiksessel mir gegenüber Paltz, guckt neugierig hier und dorthin, und macht sich dann nochmal durch die Blumentöpfe.
Ich bewege mich die ganze Zeit kaum. Ich vermute immer noch, dass Eichhörnchen scheu sind. Und ein bisschen sind sie das auch immer noch.

Donnerstag, 21. August 2008

Erlo(e)ste Texte

Häuser, die Wohnungen der anderen von innen. Die Bettenabteilungen der Kaufhäuser. Stoffe in warmen Farben, die das Leben einkleiden. Abends durch die Straßen gehen und in die Lichterfenster der fremden Häuser schauen, Fremdheit manchmal vergessen. Leben als wären die Menschen zusammen und frei und erlernbar.

[21.02.08]

Ich will, dass du dich zeigst. Und sei es, indem du gehst.

[Motto der "Eremitage"]

Freitag, 15. August 2008

Krimispiel im Eis

Anne Holt kündigt in ihrer Widmung zu "Der norwegische Gast" Spielereien an – und in der Tat spielt sie ziemlich mit dem Genre. Mehr als deutlich, dass die Versuchsanordnung dem „Mord im Orient-Express“ folgt – umso besser, dass die Lösung dann doch anders ist, obwohl der krimierfahrene Leser noch kurz in die Irre geschickt werden soll. („Ist es nicht seltsam, dass so viele den Ermordeten kannten“?) Nicht ganz so auffällig ist die Übernahme eines Motivs aus dem vielleicht weniger bekannten „Feng-Shui-Detektiv“ von Nury Vittachi. Auch dort wird mit einem Eiszapfen gemordet – und bereits Vittachi nimmt wie nun auch Holt Bezug auf die Lammkeule Roald Dahls – es geht um Mordwaffen, die nicht sichergestellt werden können, da sie sich auflösen. Nicht auszuschließen, dass es noch sehr viel mehr Zitate gibt, die mir entgangen sind.

Ein Spiel also an der Grenze des Plagierens, die jedoch nie überschritten wird, sondern mit dem deutlichen Erfolg, rund um die Ermittlerin wider Willen, Hanne Wilhelmsen, eine ganz eigenständige Atmosphäre entstehen zu lassen. In der Leseprobe gefiel sie mir gleich mit ihrer ruppigen Art, auf Autonomie bedacht, blitzgescheit und eben der Autonomie wegen etwas misantrophisch. Ihre Distanz zu anderen Menschen muss sie, eingeschlossen mit diesen, langsam aufgeben. Meisterhaft ist dabei, wie der Blick des Lesers auf das immer wieder Mal bizarre Geschehen im Fluchthotel im Norden gebunden wird an die Wahrnehmung der Hanne Wilhlemsen, die zur Passivität verurteilt im Rollstuhl sitzt. So entsteht ein seltsam statischer Tunnelblick, Dinge purzeln plötzlich, kleine Rasereien der Eingeschlossenen finden statt, aber wie Hanne kann der Leser kaum den point of view auf ein Gesamtpanorama richten, scheint vieles nicht wirklich mitzubekommen und muss im Kopf der Ermittlerin, der gegen Ende unter heftiger Koffeinzufuhr nur noch so rattert, Platz nehmen. Das macht einen manchmal richtig nervös und wie Hanne ist man diversen Nebenereignissen skurril-unangenehmer Art ausgesetzt, von denen man nicht weiß, wohin das nun führen soll. Die Atmosphäre sprenkelt immer wieder bedrohliche Segmente in eine ansonsten fast schon friedliche Eiszeitwelt.

Alles in allem ein großartig gemachtes Krimispiel, dessen Titel ich jedoch nicht verstehe.

Mittwoch, 13. August 2008

Felsen-Eremitage

Noch paar Bilder...

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Eremitage

Mit ihr beginnt ein Text , den ich gerade schreibe .. und in den ich mich gerade verliebe.
Ein zuckersüßes Erlebnis ist es, sich in eine ganz unfertige, reifende Atmosphäre zu verlieben, und gespannt
auf diese Geschichte zu sein: Die es ja nicht gibt. Sie wird im besten Fall von mir geschrieben... Gespannter als auf jedes Buch, das bei mir rumliegt, und das sind bekanntlich viele.


Und deswegen (?) war ich heute an der Felsen-Eremitage zu Bretzenheim. Es war richtig, dahin zu fahren.

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Freitag, 4. Juli 2008

Finsterra

Oh ja, es gibt Bücher, die können das Fernweh erwecken. So geht es mir gerade mit Das grüne Meer der Finsternis - und dem Ende der Welt...

Samstag, 28. Juni 2008

Literatur für alle!

An manchen Tagen – also jetzt gerade – kann ich mir nicht, oder nur schwer, vorstellen, dass es irgendjemand gibt, der sich aus Literatur nichts macht. Wohlgemerkt: Er oder sie kommen damit in Berührung. Wohlgemerkt: Literatur nicht als ein Kanon und als ein Druck und als Rechtschreibungsdurchführung in Praxis. Wohlgemerkt: Literatur als Erzählen wichtiger Erfahrungen von Menschen.
Ich sehe vor mir die Praxis, mit der ich oft zu tun habe: Jugendliche, die als bildungsfern gelten und die es zum Teil deswegen sind, weil sie die deutsche Sprache nicht sehr gut beherrschen, aber im deutschen Sprachraum leben. Die also vielleicht gar nicht wirklich bildungsfern, sondern gegebenenfalls einfach sprachirritiert und -paralysiert sind. Aber es gibt auch solche, die sind schlicht bildungs- und lernfern aufgewachsen, aber warum sollten diese, wenn etwas gut und spannend erzählt wird, kein Interesse haben? Wirklich literaturfern sind eher die computerversierten und –gesteuerten Karrierenerds, die den intensiven Geruch nach Emotion, den die Literatur nicht abzulegen vermag, wirklich verschmähen. Literatur ist eben vor allem etwas für Menschen, die einen emotionalen Aufruhr ihrer eigenen Erlebniswelt wahrnehmen können. Und vielleicht werden in diesem Punkt die „bildungsfernen“ Jugendlichen sehr unterschätzt, auch in ihrer Bildsamkeit.
Dies alles geht mir durch den Kopf, wo ich gerade nur den Anfang der Lesung von Pedro Lenz beim Vorsingen in Klagenfurt gehört habe, ein für mich, nach diesem Eindrittelanfang brillanter Text, beginnend damit, dass ein Schüler sich aufgrund eines Schlages ins Gesicht eines verhassten Lehrers so ziemlich alles verbaut, was aus ihm hätte… Und da dachte ich, das wäre ein Text, über den man mit den Jugendlichen reden könnte. Pedro Lenz liest in einem etwas schwer verständlichen schwyzgeprägten Deutsch vor, für die Migrant/innen wäre es nicht unbedingt schwerer zu verstehen als das, was sie täglich hören.
Wie auch immer: Dem Protokoll aus Klagenfurt habe ich entnommen, dass der Text von Pedro Lenz bzw. der Autor Pedro Lenz durchgefallen sind bei der Jury, ich muss das jetzt erst Mal zu Ende hören, vielleicht weiß ich dann warum, bisher kann ich mir kaum recht vorstellen warum.
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