Sehnsucht

Am Fenster sitzend bei griesgramgrauem Regen, und sich ein Leben vorstellen, das man nicht hat. Das einen auf weite Reisen führen würde – der lap-top als wichtigstes Gepäck, das man überall im Auge behalten müsste. Natürlich auch eine Kamera, die eher vorsichtshalber. An Bildern liegt ihr nicht soviel, das können viele nicht verstehen, aber sie hat alle Bilder in ihrem Herzen. Selbst die beste Kamera könnte dagegen nur unscharfe Bilder liefern. Beim Aufwachen hört sie die Minarette und riecht fremde Gewürze. Sie saugt den Duft eines Meeres ein, das weit entfernt ist. Die Pflanzen und die Tiere, die ihr in dieser frohen Zeit begegnen, wenn sie die Nacht verlassen hat und der Tag noch nicht wirklich zugreift, kommen aus einer anderen Zeit und sind von nie gesehener Schönheit. Auf dem Tisch hingegen liegt, in einer hässlichen, fettigen Tüte verpackt, ein Croissant. Sie hat keinen Hunger. Vielleicht würde sie, lange genug gereist, irgendwo stranden und bleiben. Ein kleines Café eröffnen, mit den Kindern eines fremden Dorfes spielen, als Frau mit dort exotisch heller Haut für sie etwas ganz besonderes sein. Und natürlich würde sie schreiben, am Abend, Geschichten für die Kinder und Nachdenkliches über den Ort, von dem sie kam. Um dann vielleicht doch wieder auf zu brechen. Immer wieder. Die Frauen wären ihr wichtig, die Frauen, die an allen Orten Besonderes leisten und Spezielles wissen, dafür bräuchte sie ihre Kamera, denn Frauen sind so, wie wollen entdeckt und erforscht werden. Eine späte Liebe vielleicht, zu einer Frau womöglich, einer Polin, die Anna heißt. Oder zu einem Mann, einem Reisenden im Leben, der anders wäre, als fast alle. Nicht sicher und nicht bequem, aber klug müsste er sein. Irgendjemand malt Bilder in ihrer Vorstellung, Bilder die mehr ausdrücken als jede Fotografie. Sie wird langsam alt, die braun gebrannten Beine sind schon etwas runzelig, im Gesicht viele fröhliche Fältchen, und auf einem der Bilder entdeckt sie, dass sie dennoch sehr schön geworden ist. Irgendwo hört sie Melodien eines alten Klaviers. Ein freundlicher Friede liegt über einer farbenfrohen Welt. *** Ein Croissant liegt immer noch vor ihr auf dem Tisch. Der Regen hat aufgehört und eine verschmierte, völlig farblose Ansicht vor ihrem Fenster hinterlassen. Sie muss auf die Bank. In ihrem wirklichen Leben ist alles klein und ein wenig ungelebt. Den lap-top hat sie schon und die Bilder im Herzen. Deswegen schmerzt sie auch etwas, das Unbekanntes wagen will und doch nur wartet, bis wieder ein Tag sie erledigt mit seiner Ungenauigkeit.
logo

textaufgaben

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Aktuelle Beiträge

Lakritz
Irgendwie hätte ich jetzt unheimlich gerne Lakritz....
claireg. - 22. Mär, 00:59
Ein Gruß zur Nacht
Liebe K., liebe alle (yes, it´s a blog) Diese Nacht...
claireg. - 22. Mär, 00:57
karl lässt grüße ausrichten,...
karl lässt grüße ausrichten, findet es aber nicht gut,...
k und k (Gast) - 21. Mär, 22:01
im prinzip ja... die...
im prinzip ja... die anführungszeichen bei ganzer welt...
claireg. - 21. Mär, 21:59
sag mal das kann jetzt...
sag mal das kann jetzt "die ganze welt" lesen, was...
k und k (Gast) - 21. Mär, 21:57

textleser

Kontakt

bbl@gmxpunktde

Suche

 

Status

Online seit 6258 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 22. Mär, 00:59

Credits


Anruf aus dem All
Eigenseelisches
feine texte
fernwehwehchen
In der Stadt
Intro
Materialschlacht
rauschmittel
Sätze wie Strohhalme
wachgeträumt
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren