Freitag, 16. März 2007

Freitag Abend

Ich stürme aus dem Haus. Dicke Luft. Der Mann brät Forellen, dicke Luft davon und außerdem. Ich versuche etwas, worin ich früher supersouverän war: alleine in der Kneipe sein. Damals fühlte ich mich exotisch. Ich war wohl (nach Jahren) immer noch so neu Großstädterin, dass ich völlig unschuldig war. Ich hatte keinen Mann, sondern Männer und sowas wie einen Freifahrschein Schutzmantel. Jetzt umzirkle ich das Karree. Kaufe eine Zeitung. Entscheide mich gegen die kurdische Anarcho-Kneipe, obwohl die mir in ihrem verwegenen Nichtkommerz-Konzept die liebste gewesen wäre. Theoretisch. Ich gehe vorbei. Drinnen sitzen wenige Männer. Bis auf einen gefesselt vom Fernseher. Fußball. Einer brütet allein über seinem Bier. Mir zu heiß anstrengend, bin nicht mehr so souverän.
Die Kneipe an der Ecke, ganz schön voll schon kurz vor 8. Ich bestelle ein Kristall und packe meine Zeitung aus. Stellenanzeigen „lesen“, die ja doch nicht für mich geschrieben sind. Penetrant wiederholte Überlegung, ob ich ins Callcenter gehen soll. Nicht ernst gemeint, auch nicht so witzig. Dann denke ich an die P. aus dem Kurs. Die P. war im Krankenhaus, die kalten Knoten, die sie präventiv…, die waren dann doch schon bösartig. Aber noch im Frühstadium, hat sie mir gemailt. Glück im Unglück schreibt sie. Jetzt muss sie verarbeiten, nachdem sie einige Therapien durchgestanden hat. Die Krankenkasse lässt sie zum Glück ein paar Tage an die Ostsee. Ich bin froh, dass die P. so ist, wie sie ist. Ich denke intensiv an sie.
Wir werden was zusammen machen…
Die Kneipe füllt sich immer weiter. Die Kellnerin scheint mich zu kennen. Ich bin jetzt im Kiez. Das ist nicht mehr exotisch. Ich trinke das Bier leer. Falte die Zeitung zusammen. Schlendere nach Hause. Die Forellen sind gerade fertig. Sie sind sehr gut.

Kreuzstiche

Ich fühle mich von ihm dominiert. Sein Gebäude ist fest, fester als meins, im Fundament eindeutig und unveränderlich gebaut. Er mag meine Anregungen, aber sie sind Dekoration, ein kleiner Ziegel hier, ein fehlendes Stückchen dort, das er einbaut bei sich. Und immer wieder kommt er, der so sicher seine eigenen Pfade läuft, und will mich hineinziehen, greift über, auf meine Kreise, die ich dann lieber habe und schön finden will, je mehr er sie – auch für mich – zum unbekannten Land macht.
Ich fühle mich von ihm dominiert – und es ist ganz gleich, ob das eine Phase ist, die sich erklären lässt, ob von mir jenes Gefühl gar produziert wird, um von noch ganz anderen Gefühlen abzulenken. Es ist ganz gleich, denn ob der Faden ersonnen ist oder zufällig, an dem wir laufen, wir laufen daran.
Und ich laufe weg. Manchmal will ich nur noch die Distanz. Renne aus seinem Weg. Beginne es zu mögen, wenn er Besseres zu tun hat, als sich mit mir zu beschäftigen. Ich beleidige ihn. Und ich schreie. Ich schreie unwillkürlich. Es schreit aus mir heraus in einem einzigen Moment, den auch ich nicht erwartet habe. Er fürchtet das, es passiert ja nicht allzu selten, und ich verstehe durchaus, dass er das fürchtet. Dann entfernt auch er sich, notgedrungen, es entsteht eine Distanz, die endlich groß genug ist für mich.
Für ihn scheint es schlimmer zu sein. Emotional ist er leichter zu treffen, abgewiesen wird er schwach. Das Phänomen ist erstaunlich. Früher nämlich, mit einem anderen, da war es umgekehrt. Da war ich dominanter, selbstsicherer, fordernd. Und die Leidende, wenn ich jenen nicht mehr erreichte, da er es vereiteln musste, sich außer Reichweite brachte. Bis er ganz weg war. Er ließ meine Sehnsucht unerfüllt nach etwas Starkem, Präsentem. Nun geschieht es umgekehrt. Und es verblüfft mich, dass die, die dominant sind, die Abhängigeren sind, wenn man sie nicht lässt.

Mit anderen Bummeln

Alle Hotels sind zu und es gibt keine Klingeln. Erst zwei Betrunkene verraten uns, dass man einfach Klopfen muss und dann schon jemand aufmacht. Es funktioniert.

***

Man fühlt sich nicht unsicher oder unangenehm. Im Gegenteil. Man taucht ein in geballtes Leben. Die Atmosphäre ist sehr familiär, die Leute sind ausgesprochen freundlich und von einer "großen Humanität", wie es in Italien theatralisch heißt.

***

Ansonsten scheinen mir die Letten, zumindest in der Oeffentlichkeit, eher verschlossen und zurueckhaltend zu sein. Ein Lette schweigt lieber. Das trifft sich gut, das kann ich auf Lettisch eh am besten.
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